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BIG FIVE der Persönlichkeit

Big FiveDie Big Five der Persönlichkeit sind ein wissenschaftliches Modell der Psychologie, welches die wichtigsten Eigenschaften des menschlichen Verhaltens erklärt.

Sie bestehen aus fünf voneinander unabhängigen, im Lauf des Lebens relativ stabil bleibenden Persönlichkeitseigenschaften: Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus.

Die Big Five können mittels Persönlichkeitstests gemessen werden und sind seit mehr als 20 Jahren der Gold-Standard der Persönlichkeitsforschung.


Eine ausführliche Darstellung der Big Five inkl. wissenschaftlichem Test beinhaltet mein Buch
Menschenkenntnis - Der große Typentest.

Auf dieser Seite:
- Big Five kurz erklärt
- Big Five im Detail
- Persönlichkeitstests
- Erklärung der Big Five
- Kritik an den Big Five
- Quellen

Big Five: die fünf größten Persönlichkeitseigenschaften

(Die Reihenfolge sagt nichts über die Bedeutung der Eigenschaften.)

  1. Extraversion
    Aktive Suche nach Aufregung, Aktivität, Geselligkeit und sozialen Kontakten.
     

  2. Offenheit für neue Erfahrungen
    Offenheit für Neues und Beschäftigung mit geistigen Themen.
     

  3. Verträglichkeit
    Rücksichtnahme auf andere und das Erhalten positiver Beziehungen.
     

  4. Gewissenhaftigkeit
    Kontrolliertes, zielsicheres und diszipliniertes Verhalten.
     

  5. Neurotizismus
    Empfindlichkeit gegenüber negativen Einflüssen, Emotionen und Gedanken.

 Big Five kurz erklärt

Die fünf Big Five Eigenschaften werden als Faktoren bezeichnet. Man unterscheidet zwischen niedrigen und hohen Ausprägungen dieser Faktoren. Sie beschreiben unser Verhalten in nahezu allen Lebensbereichen. Die Ausprägung die wir darin haben ist größtenteils genetisch veranlagt, also angeboren. Die Big Five, oft auch FFM = Fünf-Faktoren-Modell genannt, gelten in Wissenschaft und Forschung als das bestmögliche Modell zur Erfassung der menschlichen Persönlichkeit. Sie basieren auf statistischen Zusammenfassungen der Beschreibungen von Personen anhand von Eigenschaftswörtern und sind seit mehr als 20 Jahren das wissenschaftliche Standardmodell zur Einschätzung der Persönlichkeit.*

big five extraversion

Die Stärke der Ausprägung eines Big Five Faktors wird auf einer Skala dargestellt, ähnlich der eines Thermometers: Jemand kann darauf zum Beispiel eine sehr starke Ausprägung in eine Richtung haben (A), mittig in der Balance liegen (B), oder eine deutliche, aber nicht starke Tendenz zu einer Richtung haben (C).

Hier beim Typentest ordne ich jeder hohen und niedrigen Ausprägung der Big Five Faktoren jeweils einen eigenen Begriff zu, um diese leichter beschrieben zu können. Extraversion wird aufgeteilt in introvertiert und extrovertiert, Offenheit in praktisch und theoretisch, Verträglichkeit in hart und kooperativ, Gewissenhaftigkeit in spontan und geplant, und Neurotizismus in resistent und empfindlich. Mehr dazu weiter unten.

  Big Five Faktoren ausführlich erklärt:

1. Big Five Extraversion

Aktive Suche nach Aufregung, Aktivität, Geselligkeit und sozialen Kontakten.

Extraversion ist die Eigenschaft der Big Five, die generell den größten Einfluss auf unser alltägliches Verhalten ausübt, und auch die, die am besten erforscht ist. So hat man herausgefunden, das extrovertierte Menschen deswegen aktiver und kontaktfreudiger sind, da sie einen stärkeren Drang nach Belohnungen, Aufregung und positiven Gefühlen haben. Sie zeigen positive Gefühle deutlicher als Introvertierte und leben diese auch stärker aus. Introvertierte Menschen sind deswegen zurückhaltender, da bei ihnen dieser Drang nach Aktivität und den durch Geselligkeit ausgelösten Glücksgefühlen nicht so stark ist.

In der Persönlichkeitsforschung der Big Five wird Extraversion in folgende Unterkategorien unterteilt: Herzlichkeit/Wärme, Geselligkeit, Durchsetzungsfähigkeit/Entschlossenheit, Aktivität, Erlebnishunger und Frohsinn.
 

Niedrige Ausprägung bei Extraversion = introvertiert
Bedeutet: Energie auf sich selbst richten und zurückhaltend sein.
Eigenschaften: zurückhaltend, ruhig, still, gerne allein, reserviert, evtl. schüchtern.

Zusammenhänge mit Schüchternheit.

Hohe Ausprägung bei Extraversion = extrovertiert
Bedeutet: Energie nach außen richten und kontaktfreudig sein.
Eigenschaften: aktiv, gesellig, gesprächig, heiter, positive Emotionen zeigend.

Zusammenhänge mit Risikobereitschaft.


2. Big Five Offenheit für neue Erfahrungen

Offenheit für Neues und Beschäftigung mit geistigen Themen.

Offenheit für Neues ist die Big Five Eigenschaft, die bis heute die meisten Rätsel aufgibt. Bis dato ist nicht eindeutig geklärt, ob ihre Grundlage intellektuelle Neugier, Kreativität, eine besonders tiefe Wahrnehmung oder etwas weniger greifbares ist, wie die Freude an geistiger Beschäftigung. Offenheit zeigt auch Zusammenhänge mit Intelligenz, allerdings sind diese nur gering. Sicher kann man jedoch sagen, das Menschen mit hoher Offenheit an neuen Erfahrungen und Erkenntnissen interessiert sind und sich gerne in ungewöhnliche und komplexe Dinge hineindenken, während Menschen mit geringer Ausprägung lieber bei altbewährten Lösungen bleiben.
 

Niedrige Ausprägung bei Offenheit = praktisch denken
Bedeutet: Bei bisherigen Erfahrungen bleiben, und dem was man kennt.
Eigenschaften: konventionell, bodenständig, sachlich, traditionell, konservativ.

Zusammenhänge mit einer konservativen politischen Einstellung.

Hohe Ausprägung bei Offenheit = theoretisch denken
Bedeutet: sich für Neues, Ungewöhnliches und geistige Aktivitäten interessieren.
Eigenschaften: offen für Neues, vielfältig interessiert, intellektuell, unkonventionell, fantasievoll.

Zusammenhänge mit Kreativität, leichte Zusammenhänge mit Intelligenz.

 

3. Big Five Verträglichkeit

Rücksichtnahme auf andere und das Erhalten positiver Beziehungen.

Verträglichkeit ist die Eigenschaft der Big Five, die den Umgang mit anderen Menschen beschreibt. Während der Grad an Extraversion angibt, wie stark jemand nach sozialen Kontakten und Geselligkeit sucht, beschreibt der Grad an Verträglichkeit, wie wir uns anderen gegenüber verhalten. Ein hohe Verträglichkeit steht für kooperatives, freundliches Verhalten und generelles Vertrauen anderen Menschen gegenüber, während Personen mit niedriger Verträglichkeit eher schlechte Absichten bei anderen vermuten, sich ihren Mitmenschen gegenüber härter und unnachgiebiger verhalten, und auch Konfrontationen nicht scheuen. Sie stellen ihre Interessen vor die anderer, sind eher Einzelkämpfer als Teamplayer. Man geht davon aus, das dies daher kommt, dass sie sich nicht so gut in andere Menschen hineindenken und einfühlen können - was Menschen mit hoher Verträglichkeit leichter fällt.

Frauen haben bei Verträglichkeit eine im Schnitt etwas höhere Ausprägung als Männer.
 

Niedrige Ausprägung bei Verträglichkeit = hart interagieren
Bedeutet: Die eigenen Interessen vor die anderer stellen.
Eigenschaften: kritisch, wetteifernd,  konfrontierend, misstrauisch.

Zusammenhänge mit niedriger Ehrlichkeit-Bescheidenheit.

Hohe Ausprägung bei Verträglichkeit = kooperativ interagieren
Bedeutet: Rücksicht auf die Interessen anderer nehmen.
Eigenschaften: kooperativ, einfühlsam, hilfsbereit, nachgiebig, gutmütig.

Zusammenhänge mit Empathie und Altruismus.


4. Big Five Gewissenhaftigkeit

Kontrolliertes, zielsicheres und diszipliniertes Verhalten.

Gewissenhaftigkeit ist die Eigenschaft der Big Five, die unsere Selbstdisziplin und Zielstrebigkeit beschreibt. Menschen mit niedriger Gewissenhaftigkeit lassen sich leicht ablenken, machen gerne das, was ihnen gerade einfällt, und lassen die Dinge einfach auf sich zukommen. Menschen mit hoher Gewissenhaftigkeit arbeiten dagegen beharrlich auf ihre Ziele hin, achten dabei mehr auf Details, handeln strukturiert und überlegt. Der Kern dieser Eigenschaft liegt in der Selbstkontrolle: umso stärker diese ist, desto höher die Gewissenhaftigkeit. Gewissenhafte Menschen haben es allgemein etwas leichter im Leben, da sie sich besser dazu bringen, ihre Ziele zu erreichen und Vorgaben einzuhalten. Zu viel pedantische Kontrolle kann allerdings auch negative Auswirkungen haben - genauso wie zu wenig Kontrolle.
 

Niedrige Ausprägung bei Gewissenhaftigkeit = spontan leben
Bedeutet: Sich leicht durch momentane Bedürfnisse ablenken lassen.
Eigenschaften: locker, sprunghaft, unbeständig, unzuverlässig, unordentlich.

Zusammenhänge mit ungesundem Lebenswandel und Prokrastination.

Hohe Ausprägung bei Gewissenhaftigkeit = geplant leben
Bedeutet: Geplant und zielstrebig vorgehen, bei der Sache bleiben.
Eigenschaften: zielstrebig, organisiert, diszipliniert, ordentlich, pedantisch, zuverlässig.

Konstante, leichte Zusammenhänge mit beruflichem Erfolg. Zusammenhänge mit Perfektionismus und gesundheitsbewusstem Leben.

 

5. Big Five Neurotizismus

Empfindlichkeit gegenüber negativen Einflüssen, Emotionen und Gedanken.

Neurotizismus ist die Eigenschaft der Big Five, die unsere Empfindlichkeit gegenüber negativen Einflüssen beschreibt. Empfindliche Menschen sind häufiger nervös, reagieren schneller und stärker auf Stress, Probleme, Gefahren und negative Gefühle. Sie haben eine dünne Haut, ihre Emotionen nicht so gut im Griff, und leiden teilweise langfristig in Form von Depressionen oder Ängsten an ihrer Empfindlichkeit. Menschen mit niedrigem Neurotizismus haben dagegen symbolisch gesprochen eine dicke Haut und werden von negativen Einflüssen daher weit weniger mitgenommen. Sie sind emotional widerstandsfähiger. In gefährlichen Situationen bleiben sie eher ruhig und gelassen, wodurch sie Gefahren und Probleme aber auch unterschätzen können. Die Grundlage dieser Eigenschaft wird durch die Evolution deutlich: für das Überleben des Menschen was es einerseits von Vorteil, vorsichtig und ängstlich zu sein, um potentiellen Gefahren auszuweichen, andererseits aber auch, unerschrocken zu handeln und im Angesicht der Gefahr ruhig zu bleiben.

Frauen haben bei Neurotizismus im Durchschnitt eine deutlich höhere Ausprägung als Männer.
 

Niedrige Ausprägung bei Neurotizismus = resistent sein
Bedeutet: Einen hohen Widerstand gegen negative Einflüsse haben.
Eigenschaften: ausgeglichen, entspannt, sorgenfrei, ruhig.

Zusammenhänge mit Resilienz (Widerstandsfähigkeit) und Risikobereitschaft.

Hohe Ausprägung bei Neurotizismus = empfindlich sein
Bedeutet: Empfindlich auf negative Gefühle und Einflüsse reagieren.
Eigenschaften: ängstlich, nervös, besorgt, emotional instabil.

Zusammenhänge mit Stressanfälligkeit, Vulnerabilität (Verletzbarkeit), Depressionen, Hochsensibilität und diversen Persönlichkeitsstörungen.

Mehr über die Big Five Eigenschaften, inkl. wissenschaftlichen Hintergründen, Beispielen und Tipps finden sich in meinem Buch Menschenkenntnis - Der große Typentest.



Big Five Persönlichkeitstests

Die meisten modernen Persönlichkeitstests nutzen die Big Five als Grundlage. In der wissenschaftlichen Persönlichkeitsforschung werden mittlerweile fast ausschließlich die Big Five oder Variationen von ihnen genutzt. Der bekannteste und meistgenutzte Big Five Test ist der NEO-PI-R von Costa und McCrae. Dieser wird besonders zu wissenschaftlichen Studien häufig eingesetzt, ist jedoch nicht in einer kostenlosen Version erhältlich. Daneben gibt es dutzende weitere Variationen von Big Five Tests, die sich qualitativ meist auf einem ähnlich hohen Niveau bewegen. Hier eine Auswahl:

Big Five Tests:

Es gibt drei deutsche Bücher (inkl. Tests) zu den Big Five:


Menschenkenntnis - Der große Typentest erklärt die fünf grundsätzlichen Persönlichkeitseigenschaften auch für Laien verständlich, enthält einen wissenschaftlich geprüften Persönlichkeitstest, viele Tipps und Beispiele, so wie positive Beschreibungen aller Big Five Ausprägungen (hohe und niedrige).
 

Persönlichkeit - Warum du bist, wie du bist vom Evolutionspsychologen Daniel Nettle erklärt die Big Five sehr anschaulich, zeigt wissenschaftliche Hintergründe und beschäftigt sich ausführlich mit der Evolution unserer Persönlichkeit. Sehr interessant und empfehlenswert.

Big Five - sich selbst und andere erkennen schlägt einen Pfad zwischen wissenschaftlichen Erklärungen und Verständlichkeit für Laien ein, kann dabei aber nicht immer auf beiden Seiten überzeugen. Dennoch ein empfehlenswertes Buch.


Weitere Seiten zu Big Five, Tests und Typologie finden sich unter Links.

 

Ausführliche Erklärung der Big Five

Die Big Five basieren auf Forschungsergebnissen anhand der Beschreibungen menschlichen Verhaltens. Das grundlegende Konzept der Big Five ist das lexikalische Prinzip: ein Lexikon nehmen und alle Wörter heraussuchen, die menschliche Eigenschaften beschreiben. Daraus werden die gängigsten Wörter zu einer Liste gebündelt und Personen gebeten, aus dieser Liste die Wörter zu wählen, die sie selbst und andere am besten beschreiben. Bei diesen Beschreibungen erkannte man Wörter, die immer wieder zusammen mit anderen genannt wurden, z.B. kontaktfreudig und gesellig, woraus sich fünf große Gruppen zusammenhängender Wörter gebildet hatten. Das sind die Faktoren der Big Five, die fünf deutlichsten Persönlichkeitsmerkmale.

NormverteilungFür alle diese Persönlichkeitsmerkmale (wie auch für jedwede Persönlichkeitseigenschaften in anderen Tests) gilt die so genannte Normverteilung. Das bedeutet, dass die meisten Menschen sich ungefähr im mittleren Bereich - der Balance - einer Eigenschaft befinden. Je stärker die Ausprägung zu einer Seite, desto seltener kommt diese vor. Dennoch hat jeder Mensch sehr individuelle Ausprägungen in seiner Persönlichkeit. Denn das jemand bei allen fünf Eigenschaften exakt am Mittelpunkt - also dem perfekten Durchschnittswert - liegt, kommt statistisch gesehen bei zwei Millionen Menschen nur ein einziges Mal vor. Es ist also ganz normal, nicht dem Durchschnitt zu entsprechen. Jede Persönlichkeit ist unterschiedlich und hat eine gewisse Einzigartigkeit. Modelle wie die Big Five helfen uns dabei, diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen.

Die Ausprägungen in den fünf Big Five Faktoren bleiben im Lauf des Lebens meist im ähnlichen Bereich. Das sich jemand in einer Eigenschaft komplett verändert, ist sehr unwahrscheinlich. Allerdings bewegen sich die Ausprägungen der Faktoren im Lauf der Zeit durchaus in die eine oder andere Richtung, jemand kann z.B. introvertierter werden oder gewissenhafter. Situationsabhängig kann sich jemand auch abweichend von seiner Ausprägung verhalten, z.B. introvertierte und ruhige Momente haben, obwohl er sonst meist extrovertiert ist. Dies ist ganz normal. Entscheidend ist, wie sich jemand meistens und in der Regel verhält.

Die Big Five Faktoren bilden in Form eines Testergebnisses die Beschreibung der Persönlichkeit. Warum gerade diese fünf Eigenschaften die bedeutendsten sind, und auf welchen psychologischen Grundlagen sie beruhen, hat man in den letzten Jahrzehnten erforscht und ist heute immer noch dabei. Um herauszufinden, warum diese Eigenschaften existieren und warum sie sich in unserer Evolution entwickelt haben, gibt es diverse psychologische Erklärungen und Studien. Ein Teil dazu siehe oben unter den einzelnen Faktoren, sowie  ausführlicher dazu in meinem Buch.

Geschichte Der Big Five

Der Begriff Big Five wurde in den 80er Jahren durch den Psychologen Lewis Goldberg geprägt. Zum ersten Mal entdeckt wurden die Big Five zwar bereits 1949 in einer damals unbeachtet gebliebenen Studie, international bekannt wurden sie aber erst richtig durch den standardisierten Persönlichkeitstest "NEO Personal Inventory", welcher 1985 von Paul T. Costa und Robert R. McCrae veröffentlicht wurde. Die Beiden teilten dort jeden der fünf Faktoren in sechs Unterkategorien auf (mehr dazu unter Big Five Facetten). Das Big Five Konzept wurde in vielen wissenschaftlichen Studien in verschiedenen Ländern und Kulturkreisen mit Tests in der jeweiligen Landessprache wiederholt - auch in Deutschland. Auch wenn die Details teilweise abweichend waren, kam generell immer ein sehr ähnliches Ergebnis dabei heraus: fünf Gruppen von zusammenhängenden Wörtern, welche die fünf großen Persönlichkeitsmerkmale beschreiben. Die Entwicklung der Big Five schritt danach sehr schnell voran und bis heute wird immer mehr über sie herausgefunden. Mehr Informationen zur Entstehung der Big Five gibt es im Artikel Geschichte der Persönlichkeitstests.

 

Kritik an den Big Five

Es gibt einige berechtigte Kritikpunkte an den Big Five. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich dabei um Kritik auf sehr hohem Niveau handelt. Die Big Five gelten in der Fachwelt uneingeschränkt als das aktuell beste Modell zur Beschreibung unserer Persönlichkeit. Es gibt keine Persönlichkeitstests, die unser Verhalten verlässlicher messen als solche auf Basis der Big Five. Kritik an ihnen ist ungefähr so, wie den schnellsten Sprinter dafür zu kritisieren, das er nicht noch schneller läuft.

Dennoch sind die Big Five bei weitem nicht perfekt und es gibt valide Kritikpunkte an ihnen (die allerdings auf andere Tests und Modelle in noch größerem Ausmaß zutreffen). Hier die Wichtigsten:
 

Einer der meist geäußerten Kritikpunkte an den Big Five ist jener, dass sie rein auf Statistik beruhen, und es keine dahinter stehende psychologische Theorie gibt. Diese Kritik stammt vor allem aus der Anfangszeit der Big Five und ist heute nur noch eingeschränkt gültig. Denn für viele der Faktoren wurden mittlerweile psychologische, biochemische oder neurologische Zusammenhänge und Grundlagen gefunden (siehe z.B. Navi fürs Gehirn? Persönlichkeitseigenschaften der Big Five lassen sich Gehirnregionen zuordnen). Von reiner Statistik kann also keine Rede mehr sein. Die meisten aktuellen Big Five - Modelle und Tests (z.B. der NEO-PI-R) wurden anhand psychologischer Konzepte konstruiert. Es gibt Modelle, welche die psychologischen Grundlagen der Faktoren genauer formulieren und in den Vordergrund stellen, wie das FIRNI von Denissen und Penke.* Was die Entstehung der Persönlichkeitseigenschaften angeht, gibt es z.B. die evolutionsbasierten Theorien von Daniel Nettle. Auch ich verwende im Typentest psychologische Grundkonzepte auf Basis verschiedener Studien und Erkenntnisse um die Big Five darzustellen, mehr dazu in meinem Buch.
 

Nicht bei allen der Big Five Faktoren ist man sich sicher, was genau deren Grundlagen und Auswirkungen auf das alltägliche Leben sind. Besonders bei der Offenheit für neue Erfahrungen existieren verschiedene Definitionen, von Intellekt bis hin zu Kreativität und anderen Konzepten, siehe oben. In der Regel geht es jedoch nur um Detailfragen der verschiedenen Definitionen, das generelle Konzept der Big Five und der einzelnen Faktoren wird normalerweise nicht angezweifelt. In verschiedenen Kulturen rund um die Welt können die einzelnen Faktoren jedoch eine unterschiedliche Gewichtung haben. Beim abgeschieden lebenden Jäger- und Bauern-Volk der Tsimane in Bolivien waren die Big Five zum Beispiel viel weniger deutlich ausgeprägt wie in modernen Kulturen: Tsimane-Studie.

Eine weitere Ausnahme bildet das HEXACO-Modell. Hier wurden sechs Faktoren gebildet, die den Big Five bis auf eine Ausnahme sehr ähnlich sind: Verträglichkeit wurde hier aufgeteilt in die bekannte Definition, sowie in den sechsten Faktor Ehrlichkeit-Bescheidenheit. Bei diesem geht es darum, ob sich jemand generell für besser hält als seine Mitmenschen, den persönlichen Vorteil sucht, und keine Probleme damit hat, zu lügen oder zu betrügen. Quasi die dunkle Seite der Persönlichkeit. Bei den regulären Big Five ist dies Teil des Faktors Verträglichkeit, bei den Hexaco hat man jedoch festgestellt, dass sich diese Ehrlichkeit-Bescheidenheit sinnvoller als eigener, von der Verträglichkeit unabhängiger Faktor betrachten lässt. Eine Person kann nämlich eine niedrige Verträglichkeit, aber gleichzeitig dennoch hohe Ehrlichkeit-Bescheidenheit haben (oder umgekehrt). Ich bin der gleichen Meinung, weswegen ich beim Typentest Ehrlichkeit-Bescheidenheit ebenfalls nicht als Teil von Verträglichkeit, sondern unabhängig davon betrachte.
 

Kritik an den Big Five aus wissenschaftlicher Richtung bezieht sich vor allem darauf, dass die fünf Faktoren rein durch Sprache bzw. Eigenschaftswörter zu Stande kommen, diese aber nicht ausreichend geeignet sind, um eine Person vollständig zu beschreiben. Das heißt, die Big Five können die Persönlichkeit nicht in ihrem kompletten Umfang erfassen.

Andererseits ist dies aber mit keinem Persönlichkeitstest zu 100% möglich, und wird wahrscheinlich auch nie möglich sein, da der menschliche Charakter nun einmal sehr komplex ist. Jeder Test und jedes Modell kann daher nur eine Vereinfachung dieser Komplexität darstellen. Um eine Person umfassend zu beschreiben, sind noch weitere Merkmale notwendig, wie z.B. das Aussehen, persönliche Erfahrungen und die Lebensgeschichte, die dann mit den Erkenntnissen über die Persönlichkeit kombiniert werden.
 

Die Big Five Eigenschaften haben auf den ersten Blick positive und negative Seiten. Hohe Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit werden eher positiv bewertet. Niedrige Ausprägungen, so wie hoher Neurotizismus, werden als eher negativ angesehen. Zumindest was gesellschaftliche Normen und Erwartungen angeht.

Solche negativen Ergebnisse schrecken viele Menschen ab. Hier gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die Big Five nichts anderes als unsere Wahrnehmung der Realität beschreiben. Diese Ansicht wird verständlicher, wenn man betrachtet, wie die Big Five entstanden sind: sie basieren allein auf Beschreibungen von Menschen, also auf Beurteilungen durch Eigenschaftswörter, z.B. sympathisch, freundlich, gutmütig. Diese fallen meist subjektiv aus, da z.B. extrovertierte Menschen offener und geselliger wirken als Introvertierte. Anders gesagt, manche Eigenschaften werden positiver wahrgenommen als andere: jemand mit hoher Verträglichkeit und viel Mitgefühl wirkt angenehmer, als jemand mit niedriger Verträglichkeit und wenig Mitgefühl. Das tatsächlich beides Vor- und Nachteile hat (Menschen mit niedriger Verträglichkeit können z.B. ihre Interessen besser durchsetzen, nehmen dabei aber weniger Rücksicht), ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich.

Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass im Verlauf der menschlichen Evolution alle Ausprägungen der Faktoren zu unserem Überleben beigetragen haben, weswegen sie sich in der Form eingependelt haben, wie wir sie heute kennen. Früher mag es von Vorteil gewesen sein, hohen Neurotizismus zu besitzen und häufiger Angst zu verspüren, wodurch Gefahren, z.B. durch wilde Tiere oder Krankheiten, frühzeitiger erkannt wurden. Heute bringt diese Eigenschaft jedoch keine direkten Vorteile mehr im Leben, weswegen uns niedriger Neurotizismus erstrebenswerter scheint. Mehr zur Evolution der Persönlichkeit findet sich in Daniel Nettle's Persönlichkeit - Warum du bist, wie du bist.

Neutraler im Typentest

Wie lassen sich also die Big Five in allen Ausprägungen neutraler darstellen? Hier kommen andere psychologische Theorien ins Spiel. Eine derartige Kombination wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach vorgeschlagen, u.a. von Paul Costa und Robert McCrae, den Entwicklern des bekanntesten Big Five Tests, des NEO-PI. In diversen Studien* wurde nämlich festgestellt, das die fünf Big Five Faktoren größtenteils mit den Eigenschaften der alten Typenlehre von Carl Gustav Jung und dem MBTI übereinstimmen. In dieser Typologie, die mehr an Erfahrungswerten und Anekdoten orientiert ist - und daher in ihren Inhalten und Definitionen nicht dem heutigen Kenntnisstand entspricht -, wird jede Seite der Persönlichkeitseigenschaften neutral gesehen: jede beinhaltet sowohl positive als auch negative Bestandteile. Egal ob introvertiert oder extrovertiert, praktisch oder theoretisch, hart oder kooperativ, spontan oder geplant. Alles hat Vor- und Nachteile. Es gibt demnach kein positives oder negatives Ergebnis. Positiv oder negativ ist lediglich wie man die Eigenschaften - also seine individuelle Persönlichkeit - nutzt und auslebt.

Daher verfolge auch ich mit dem Typentest dieses Prinzip, alle Eigenschaften möglichst neutral darzustellen. Inhaltlich nutzt der Typentest nichts mehr von der alten Typologie von Jung und Co., sondern ausschließlich moderne Erkenntnisse aus dem Bereich der Big Five. Er verwendet allerdings das Konzept neutraler Typen, um die Big Five positiver darzustellen. Der Typentest bietet eine Kombination aus neutraler Typologie und moderner Wissenschaft.

Fazit

Die Big Five haben den Vorteil, dass sie wissenschaftlich sehr fundiert sind. Es gibt wortwörtlich tausende von Studien, die sich mit den Big Five und ihren Auswirkungen auf unser Leben beschäftigen. Kein anderes Persönlichkeitsmodell genießt auch nur ansatzweise eine solch universelle Anerkennung. Nachteile sind die positiv bzw. negativ geprägten Sichtweisen der fünf Faktoren, so wie Streitpunkte einiger Detaildefinitionen.
 

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*Quellen:

Eine Liste mit knapp 100 Quellen zum Thema findet sich in meinem Buch Menschenkenntnis - Der große Typentest.

Hier einige Ausgewählte:
 

Zum aktuellen Stand der Big Five in der Forschung, und Sammlung vieler weiterer Studien:
Paradigm Shift to the Integrative Big Five Trait Taxonomy; Oliver P. John, Laura P. Naumann, Christopher J. Soto; 2008; Handbook of Personality Theory and Research 3rd Ed.; The Guilford Press

Ein theoriebasiertes, neutrales Konzept der Big Five:
Individual reaction norms underlying the Five Factor Model of personality: First steps towards a theory-based conceptual framework; Jaap J.A. Denissen, Lars Penke; 2008; Journal of Research in Personality

Normverteilung:
Psychologie der Persönlichkeit, Jens Asendorpf, 2013

Umfassende Kritik an den Big Five:
The Five-Factor Framing of Personality and Beyond: Some Ruminations, Jack Block, 2010

Zusammenhang zwischen Jung/MBTI & Big Five:
The relationship between the revised NEO-personality inventory and the Myers-Briggs Type Indicator, Adrian Furnham, Adrian, Joanna Moutafi, John Crump, 2003
The big five versus the big four: the relationship between the Myers-Briggs Type Indicator (MBTI) and NEO-PI five factor model of personality, A. Furnham, 1996
A “big five” scoring system for the Myers-Briggs Type Indicator, Robert J. Harvey,  William D. Murry, Steven E. Markham, 1995
Reinterpreting the Myers-Briggs Type Indicator From the Perspective of the Five-Factor Model of Personality, Robert R. McCrae, Paul T. Costa Jr., 1989

Diese und viele weitere Studien sind über Google Scholar zu finden.

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